Der Tag begann eigentlich ganz gemütlich. Wir gingen zum Supermarkt, kauften ordentlich ein und gönnten uns ein Frühstück, das uns an Zuhause erinnerte: Eierspeis, Toastbrot und Müsli mit frischen Früchten. Nach unzähligen Reis- und Nudel-Morgen endlich mal wieder etwas, das uns ein Stück Heimat zurückbrachte.
Um 10 Uhr checkten wir aus unserer Unterkunft aus. Unser Fahrer wartete schon und stellte sich direkt mit den Worten vor: „Nummer 1 Fahrer!“ Der Stolz in seiner Stimme ließ uns schmunzeln – noch ahnten wir nicht, dass dieser Titel mehr war als nur ein netter Spruch.
Formel 1 im Straßenchaos
Schon nach den ersten 500 Metern war uns klar, dass dieser Mann wirklich an der Pole-Position fährt – zumindest in seinem Kopf. Er überholte alles, was sich bewegte. Egal ob ein Moped, ein Lkw oder ein Auto – Platz wurde gemacht, zur Not durch Hupen oder gnadenlose Fahrmanöver. Rechts, links, auf der Gegenfahrbahn, am Straßenrand, über Reissäcke hinweg – es gab keinen Bereich, den er nicht für seine Überholkünste nutzte.
„Wie Vettel“, rief er grinsend und drehte den Kopf zu uns, während er einem entgegenkommenden Auto fröhlich die Lichthupe und Hupe gab – natürlich von dessen Spur aus. Kosi saß am Beifahrersitz und unterhielt sich wacker mit ihm. Alois und Anni hingegen hielten hinten die Griffe so fest, als würde ihr Leben davon abhängen. Spoiler: Das tat es vermutlich auch.
Verkehrsregeln? Welche Verkehrsregeln?
Im Laufe der Fahrt kamen wir mit unserem Fahrer ins Gespräch – so gut es mit seinen wenigen Brocken Englisch eben ging. Er erklärte uns, dass es hier quasi keine Verkehrsregeln gibt. Helmpflicht? Nur theoretisch. Strafen? Nicht hier, es sei denn, die Polizei will Geld. Auf den Mopeds fuhren ganze Familien, oft vier oder fünf Personen: vorne der Papa am Lenker, ein Kleinkind stehend zwischen seinen Armen, dahinter die Mutter mit einem Baby auf dem Arm und noch ein Kind irgendwie dazwischen gequetscht. Helme? Nicht nötig. Ein Arm der Mutter genügt als „Sicherheitsgurt“ für das Baby.
Auch Ampeln waren mehr Dekoration als Orientierung. Stattdessen standen oft Menschen mit Trillerpfeifen an den Kreuzungen, um den Verkehr zu regeln. Wenn man ein Trinkgeld gab, stellten sie sich kurzerhand vor die fahrenden Autos, damit man ungestört aus einer Seitenstraße herausfahren konnte. Ein Verkehrschaos, das in Österreich für kollektiven Herzstillstand sorgen würde, hier aber offenbar wie geschmiert lief. Unfall sahen wir hier bisher noch keinen und bei diesem ununterbrochenen fließenden sowie chaotischen Verkehr - ein Wunder.
Mittagessen mit Hindernissen
Gegen Mittag hielt unser Fahrer vor einem heruntergekommenen Laden. „Essen“, meinte er schlicht und deutete auf den Eingang. Wir sind wirklich nicht pingelig, aber bei diesem Anblick verging uns der Appetit. Höflich bestellte Kosi ein paar Nudeln, Alois nahm ein Getränk, und Anni wagte sich auf die Toilette. Ein Fehler.
Das Klo bestand aus einem Loch im Boden, daneben eine kleine Wanne mit Wasser und einem Schöpfer. Das Prinzip? Nach dem Geschäft schöpft man Wasser und spült damit nach. Klingt simpel, war aber alles andere als einladend. Anni kehrte blass und wortlos zurück, während der Rest schon zur Weiterfahrt drängte. (Für alle Frauen anzumerken, wenn man soeben sein monatliches Damen - Dasein hat, ist es sehr schwierig die Toiletten aufzusuchen. Anni verzweifelt noch immer daran, wie die Menschen hier vor Ort so etwas erledigen. Während der gestrigen Tour und der heutigen Autofahrt, gab es nie eine Toilette die Klopapier oder zumindest eines Wasserschlauch hatten - lediglich den Wassertank mit dem Schöpfer daneben… Ein Rätsel wie dies hier gehandhabt wird.)
Bergauf mit Vollgas – und gegen die Einbahn
Weiter ging die Fahrt – diesmal bergauf. Unser Fahrer war offenbar fest entschlossen, uns mit seiner fahrerischen „Kunst“ zu beeindrucken. Um das Auto noch schneller zu machen, schaltete er kurzerhand das Radio, die Klimaanlage und sogar die Lichter aus. „Mehr Power!“, erklärte er triumphierend und überholte auf den engen Bergstraßen so blind, dass wir uns fragten, ob er einfach nur einen besonders großen Schutzengel hatte.
Den Vogel schoss er ab, als er plötzlich in eine Einbahnstraße einbog – natürlich in die falsche Richtung. Unser skeptischer Blick blieb nicht unbemerkt, also erklärte er uns: „Diese Straße = kein Zahlen. Andere Straße = Maut zahlen.“ Aha. Also fuhren wir zehn Minuten hupend die falsche Richtung entlang, bis wir wieder auf der regulären Straße waren. Nur, damit wir keine Maut zahlen mussten.
Angekommen in der Kälte
Als wir schließlich unsere Unterkunft erreichten, atmeten wir tief durch – nicht nur wegen der frischen Bergluft, sondern vor allem vor Erleichterung, endlich aus dem Auto zu sein. Unser Fahrer grinste und verabschiedete sich mit den Worten: „Nächste Tour auch mit mir!“ Wir nickten höflich, aber innerlich war klar: Einsteigen werden wir bei ihm so schnell nicht mehr.
Unsere Unterkunft war... sagen wir mal: interessant. Auf 2400 Metern Höhe herrschten statt der gewohnten 30 Grad plötzlich frostige 11 Grad – und das am Nachmittag! Die Zimmer waren entsprechend spartanisch: kein Warmwasser, keine Heizung und zu allem Überfluss ein Fenster, das sich nicht schließen ließ. Stattdessen bot uns der Gastgeber dicke Decken an.
Eine Nacht würden wir schon überstehen, dachten wir uns. Die Sache wurde ohnehin mehr Abenteuer als Erholung, denn um 3:30 Uhr morgens sollten wir schon wieder aufbrechen. Trotzdem suchte Anni sicherheitshalber schnell noch eine andere Unterkunft für die folgende Nacht – denn eine zweite Nacht (wie eigentlich gebucht) bei diesen Temperaturen und Bedingungen? Nein, danke.
Abenteuer pur – mit Aussicht auf Besserung
Wir nahmen es mit Humor: Für eine Nacht war es okay. Schließlich ist das hier nicht nur eine Reise, sondern auch ein Abenteuer. Und wenn wir in dicken Decken eingewickelt bei 11 Grad in einem offenen Zimmer schlafen, dann gibt es immerhin eine gute Geschichte für den Blog.
Und damit verabschieden wir uns, während wir uns schon mal auf die Eiseskälte der Nacht vorbereiten.
Bussi Baba!
Eure Kosanni mit Alois ♥️
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Wünsche euch weiterhin viel Spaß auf eurer Abenteuer-Reise. Freu mich immer über eure Berichte. Schönen dritten Adventsonntag und ganz liebe Grüße aus der Heimat - Claudia